Ein paar Gedanken zum Umgang mit Ungewissheit und ein Tipp

Ungewissheit und Unplanbarkeit scheinen das neue „Normal“ zu sein. Wer hätte 2019 gedacht, dass wir kurz darauf monatelang zu Hause im Lockdown verbringen? Oder auf der Bank nur dann Geld bekommen, wenn unser Gesicht verhüllt ist? Eine Mutation jagt die andere und die gesundheitliche Krise mit den massiven Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Art und Weise, wie wir arbeiten, ist noch nicht vorbei, schon kommt die nächste Krise um die Ecke: ein Krieg vor unserer Haustüre.

 

Das alles hat massive Auswirkungen auf unser Leben, auf unsere Arbeit und auf die Wirtschaft insgesamt. Die Auswirkungen können wir noch nicht einmal richtig erahnen. Eine seit Jahrzehnten nicht dagewesene Inflation ist erst das erste Anzeichen.

 

Können wir uns auf konkrete Ereignisse vorbereiten? Wohl eher nicht! Was wir aber tun können und auch tun müssen, ist unseren unternehmerischen Muskel zu trainieren. Mir gefällt dieser Vergleich aus dem Sport. Was ich damit meine, will ich am Beispiel von Marcel Hirscher, einem der erfolgreichsten Schirennläufer der Geschichte, verdeutlichen:

 

Marcel Hirscher war berühmt dafür, dass er sich besonders akribisch auf seine Rennen vorbereitet hat. Er war auch bekannt dafür, dass er den Slalomlauf, den er zu bewältigen hatte, besonders genau studiert hat. Dabei hat er sich nicht nur den Kurs eingeprägt. Er hat sich bei jedem Tor überlegt, was alles passieren kann, wenn etwas passiert. Ist unter der Schneedecke eine Eisplatte? Was tut er, wenn er zu spät aus dem letzten Tor herauskommt? Kann er es wagen, eine direktere Linie zu nehmen, und was tut er, wenn es nicht so klappt, wie er sich das vorgestellt hat? Jetzt ist es nicht so, dass irgendetwas davon tatsächlich eingetreten sein muss. Aber er war darauf vorbereitet, dass etwas passieren könnte, und er hat sich alternative Herangehensweisen überlegt. Das Wichtigste war nicht, dass er sich auf einen konkreten Vorfall vorbereitete. Das Entscheidende war, das er vorbereitet war, dass etwas passieren könnte. Damit ist für ihn die Schrecksekunde weggefallen und er konnte wichtige Zeit gewinnen, adäquat zu reagieren. Da er schon unzählbar viele Tore im Training und im Rennen absolviert hatte, konnte er in der Situation auf viele mögliche Handlungsalternativen zurückgreifen.

 

Was heißt das nun, wenn wir diese Metapher auf unseren unternehmerischen Alltag übertragen? Die Situation, in der wir uns wiederfinden, ist komplex und widerspricht unserem, tief in uns angelegten Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung. Nur aus dem Bauch und intuitiv können wir diese Situation nicht auflösen

 

Siehe auch: Mythos Intuition:

Das neue Gold für kleine und mittlere Unternehmen sind nicht Daten. Auch ein gutes finanzielles Polster reicht nicht aus. Das kann sehr schnell aufgebraucht sein. Das neue Gold für kleine und mittlere Unternehmen ist die Fähigkeit, schnell zu lernen. Es ist die Fähigkeit, mit einer geschärften Wahrnehmung Veränderungen, leise Anzeichen in unserer Umwelt, bei unseren Kunden, unseren Wettbewerbern, am Arbeitsmarkt etc. wahrzunehmen und adäquat darauf reagieren zu können.

 

  • Damit wir schnell lernen können, braucht es ein paar Voraussetzungen:Wir müssen bereit sein, aus unserer Blase herauszutreten und zu akzeptieren, dass es neben unserer Sicht der Welt auch andere Möglichkeiten gibt, die Welt zu sehen, wahrzunehmen und zu interpretieren.
  • Wir sollten unsere stillen Reserven gut kennen! Unter stillen Reserven verstehe ich alle jene versteckten Ressourcen, die nicht offensichtlich auf der Hand liegen, mit denen wir uns nicht täglich beschäftigen und nach denen wir uns auf die Suche machen müssen. Dazu gehören zum Beispiel:

o   unsere (wahren) persönlichen (strukturellen) Stärken, die Stärken der einzelnen Mitarbeiter und die Stärken des Teams insgesamt (mehr dazu in einem der nächsten Beiträge),

o   gescheiterte Projekte (was haben wir daraus gelernt und nutzen die gewonnenen Erkenntnisse nicht mehr?),

o   nicht gepflegte Beziehungen zu ehemaligen Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern, befreundeten Unternehmer:innen etc.

 

Siehe auch: Die Kraft der stillen Reserven: 

  • Der feste Wille, immer wieder Neues auszuprobieren und das von einem möglichst sicheren Boden aus. Der erfolgreiche Investor, Komplexitätsforscher und Philosoph Nasim Taleb empfiehlt Investoren, 90 % ihres Kapitals in sicheren Anlagen zu „parken“ und mit dem Rest radikale Strategien zu verfolgen und dabei auch auf das Unmögliche oder Undenkbare zu setzen. Der Denkansatz für das Unternehmen kann so aussehen: auf sicherem Boden bleiben, das laufende Geschäft permanent verbessern und einen kleinen Teil an zeitlichen und finanziellen Ressourcen in neue und unterschiedliche Aktivitäten investieren.

Die Schrittabfolge ist dann folgende:

  1. Es gibt eine Idee, ein Kundenproblem oder einen Verbesserungsvorschlag, wie zukünftig Geschäft generiert werden könnte.
  2. Dafür sammeln Sie alle hier und jetzt verfügbaren Informationen. Diese Analyse wird aber nicht überbordend sein. So vermeiden Sie das bekannte Phänomen „Paralysis by Analysis“.
  3. Sie bilden eine Hypothese, wie Sie das Problem lösen werden, wer der neue Kunde sein könnte usw.
  4. Sie erstellen einen Plan, wie Sie Ihre Hypothese mit möglichst geringem Risiko und möglichst geringem Aufwand testen und auf den Prüfstand stellen können.
  5. Dann testen Sie. Dabei sind Sie sich im Klaren, dass dieser Test auch schiefgehen kann.
  6. Das Ergebnis ist die Information für die nächste Runde und somit Teil der vertiefenden Recherche. Hat der Test funktioniert, dann wiederholen Sie ihn. Schließlich wollen Sie ja wissen, ob das Ergebnis nicht doch nur ein Zufall gewesen ist. Hat der Versuch nicht geklappt, dann ist auch das eine gute und wichtige Information. Jetzt planen Sie den nächsten Test. Sie passen an, verändern oder verwerfen und testen dann wieder. So starten Sie eine (systemische) Lernschleife und Sie beschleunigen Ihr Veränderungs- und Anpassungstempo.

 

Gutes Gelingen beim Ausprobieren und Testen!


Eine Frage der Robustheit:

 

Welche Themen, von denen Sie wissen, dass Sie sie eigentlich anpacken sollten, die Sie aber vor sich herschieben, gibt es in Ihrem Unternehmen?

 

Wählen Sie eines dieser Themen aus und testen Sie eine mögliche Herangehensweise, indem Sie die eben beschriebenen Schritte 1 – 6 umsetzen.