In vielen Unternehmen, die ich kenne, ist Alltagsdruck kein Ausnahme-, sondern der Normalzustand. Führungskräfte sind ständig damit beschäftigt, Brände zu löschen. Große und kleine. Mal brennt es beim Kunden, mal intern.
Was genau meine ich?
- Ein Kunde ist unzufrieden und beschwert sich.
- Ein Konflikt im Team muss moderiert werden.
- Auf der Baustelle fehlt Material.
- Die Steuerberaterin wartet auf Unterlagen.
- Eine Behörde mahnt fehlende Dokumente an.
Und das ist nur ein kleiner Auszug aus den Möglichkeiten. Sie können diese Liste beliebig fortsetzen.
Natürlich gibt es Ereignisse, die außerhalb Ihres Einflussbereichs liegen. Wenn zum Beispiel ein Vorgewerk auf der Baustelle schlampig gearbeitet hat oder nicht zum vereinbarten Termin fertig wurde, oder ein Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfällt. Darauf können Sie nur reagieren.
Aber – und das ist entscheidend – viele Störungen lassen sich beeinflussen. Oft früher als man denkt.
Ein echter Fall: Der Maler und das Wasserproblem
Ein Maler soll ein gefliestes Bad in ein fugenloses verwandeln. So weit, so gut. Er beginnt mit dem Abschleifen der alten Fliesen, füllt die Fugen. Doch dann: Die Armatur muss abmontiert werden – eine Sache von wenigen Minuten. Dachte man. Aber der Hauptwasserhahn ist seit 30 Jahren nicht bewegt worden und komplett festgerostet. Ein Installateur muss kommen, das Ventil freilegen. Zwei Tage Stillstand auf der Baustelle. Frust auf allen Seiten.
Ist das die Schuld des Malers? Natürlich nicht. Hätte er es verhindern können? Vielleicht schon.
Seine Erkenntnis: Beim nächsten Mal schaut er bei der Baustellenaufnahme kurz, ob sich der Haupthahn bewegen lässt. Eine Minute Aufwand – die ihm zwei Tage Stillstand erspart. Denn von der Baustellenaufnahme bis zum Baustellenstart ist ausreichend Zeit, um das Problem zu lösen.
Der blinde Fleck des Alltags
Wir gewöhnen uns an viele Störungen – selbst, wenn sie uns schaden. Die Neurowissenschaften nennen das Habituation: Die Reaktion auf wiederkehrende, vermeintlich unwichtige Reize nimmt ab.
Ein einfaches Beispiel: Eine Kiste steht im Weg. Beim ersten Mal nervt sie. Beim dritten Mal gehen Sie einfach drum herum. Beim zehnten Mal sehen Sie sie gar nicht mehr.
Solche kleinen Störungen häufen sich. Und plötzlich verbringen Sie den Tag nur noch mit Reagieren: umplanen, reparieren, schlichten, entschuldigen.
Checklisten – die unterschätzte Geheimwaffe
„Eine Checkliste? Das klingt bürokratisch!“ höre ich oft. Aber denken Sie mal an diese Beispiele:
- Kein Flugzeug hebt ab, ohne dass Pilot:innen ihre Liste durchgehen.
- In jeder OP wird vor dem ersten Schnitt eine Checkliste abgearbeitet.
- Die Feuerwehr trainiert ihre Abläufe – nach Checkliste.
Warum nicht auch im eigenen Unternehmen?
Checklisten helfen, Gewohnheitsfallen zu enttarnen, Kleinigkeiten, die gerne übersehen werden offenzulegen, oder Dinge, die in der Kommunikation oft untergehen, transparent zu machen. Sie bringen Struktur in wiederkehrende Prozesse. Und sie wirken genau dort, wo es zählt: im Alltag.
Übrigens: Der Maler, von dem ich oben erzählte, hat eine Checkliste eingeführt und ist happy. Er konnte erleben, wie sie die Zahl der Probleme reduziert und sein Leben damit erleichtert.
Fazit:
Der Gewöhnungseffekt ist nützlich. Aber auch tückisch. Oder, wie man in Österreich sagt: „Ein Hund.“
Wenn wir die kleinen Störungen nicht mehr wahrnehmen, spüren wir irgendwann nur noch eine diffuse Überforderung.
Mein Vorschlag: Erstellen Sie eine persönliche Checkliste. Jedes Mal, wenn Sie eine Störung erleben, die vermeidbar gewesen wäre, kommt ein Punkt dazu. So wird aus Chaos Schritt für Schritt wieder Struktur.
Eine Frage der Robustheit
Haben Sie schon einmal über eine Checkliste nachgedacht? Wo könnten Ihnen Checklisten helfen, Druck aus dem Alltag zu nehmen?