Die Entwicklung einer tragfähigen Strategie für Ihre unternehmerische Tätigkeit kann durchaus eine harte Nuss sein. Es gibt viele Gründe, warum dieses Vorhaben zumindest schwierig ist oder vielleicht sogar zu gar keinem vernünftigen Ergebnis führen kann:
- Es stellt sich bei der Beschäftigung mit dem Thema heraus, dass es viel zu komplex ist, um es „endgültig“ zu lösen.
- Es kann sich herausstellen, dass Sie sich bei Ihren Überlegungen im Kreis drehen und keine Lösung finden.
- Es hat vielleicht bisher schon gar nicht so schlecht funktioniert und dann bleibt man doch bei dem, was man bisher schon getan hat.
- Man stellt fest, dass sich die Branche in einer Blase befindet und findet keinen Weg aus der Blase heraus.
Wahrscheinlich fallen Ihnen noch mehr Gründe ein, warum Sie mit Ihrer Strategie nicht wirklich weiterkommen und lieber bei dem bleiben, was bisher schon so halbwegs gut funktioniert hat. Trotzdem haben Sie vielleicht das Gefühl, dass es wichtig wäre, etwas zu tun. Schließlich spürt man, dass es so nicht weitergehen kann. Aber wie kommt man voran?
Mit viel Spucke und Geduld schlägt der Volksmund vor. Und wie so oft liegt der Volksmund überhaupt nicht daneben. Die Mathematiker Alexander Grothendieck und Daniel Murfet haben das Konzept des „Rising Sea“ entwickelt. Eine der beiden Metaphern, die sie für ihre Herangehensweise an mathematische Probleme heranzogen, ist die folgende:
Die Metapher geht der Frage nach, wie man eine Nuss ohne Gewaltanwendung knacken kann:
Man taucht die Nuss in Wasser ein und lässt sie dort liegen. Von Zeit zu Zeit nimmt man sie heraus und wischt sie ab. Dabei entfernt man die in der Zwischenzeit aufgeweichte Schicht. Dann taucht man sie wieder in Wasser ein und lässt sie dort liegen. Diesen Vorgang wiederholt man so oft, bis die Schale so weich ist, dass sie sich mit den Fingern leicht aufdrücken lässt.
Die zweite Metapher zur Herangehensweise ist auch die namensgebende Metapher: Das „Rising-Sea“-Konzept:
Ein großer unbeweglicher Stein liegt im Wasser. Jahrelang liegt er im Wasser und nichts passiert. Und plötzlich bewegt er sich doch und wird umspült. Obwohl sich lange Zeit nach außen hin nichts getan hat, war er ständig dem Druck und der Erosionskraft des Wassers ausgesetzt. Obwohl sich nichts Sichtbares getan hat, hat sich der Stein dann irgendwann bewegt. Oder in der ursprünglichen Version: Man nähert sich mit allgemeinen Fragestellungen und Theorien dem Problem an. Das Problem ist wie ein Fels im Meer. Der wird nicht durch mühsame Arbeit abgetragen. Durch die „indirekte“ Herangehensweise lässt man den Wasserspiegel steigen. So wird das Problem immer kleiner, bis es ganz verschwindet.
Die beiden Mathematiker haben diese Metapher verwendet, um ihre Herangehensweise an mathematische Probleme einfach zu beschreiben. Es wird eine Theorie aufgestellt oder es werden Annahmen getroffen. Die werden getestet und wahrscheinlich wieder verworfen. Dann wird das Problem „liegen“ gelassen. Die nächste Theorie wird aufgestellt usw. In den unternehmerischen Kontext übertragen könnte das folgendes heißen:
Die Entwicklung einer nachhaltigen Strategie oder eines schwierigen Problems lässt sich nachhaltig nicht in zwei Stunden oder in einer einmaligen Klausur bewerkstelligen. Es braucht mehrere kleinere Anläufe. Das anstehende Thema wird immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, analysiert und Ideen werden in kleinem Umfang getestet. Auch wenn man den Eindruck hat, dass nichts passiert oder das sich nichts bewegt, wird der Punkt kommen, an dem sich etwas sichtbar bewegt und man das Gefühl hat, dass ein „Durchbruch“ passiert ist.
Siehe auch:
Zur Verdeutlichung erzähle ich Ihnen ein kleines Beispiel aus meiner unternehmerischen Vergangenheit:
Zusammen mit einem renommierten Forschungsinstitut haben wir ein revolutionäres Produktionsverfahren für ein Produkt entwickelt. Das Produkt gab es schon lange, allerdings war die Herstellung zu teuer. Unser neues Herstellungsverfahren sollte dieses Problem lösen. Anfangs kamen wir bei der Entwicklung gut voran. Aber, wie so oft im Leben, steckte der Teufel im Detail. Als die Techniker und die Entwickler der Meinung waren, dass das Verfahren zu 98 % fertig sei und funktioniere, wurde es schwierig. Die letzten Details ließen sich scheinbar nicht lösen. Dann kam mein Technikkollege mit folgendem Vorschlag zu mir: Er möchte gemeinsam mit den Mitarbeitern des Forschungsinstituts und seinem Team auf eine mehrtägige Wanderung gehen, um an dem Problem zu arbeiten. Ich war, ehrlich gesagt, skeptisch. Ich dachte, dass das ein „feuchtfröhliches“ Wochenende werden und der Output überschaubar sein würde. Trotzdem ließ ich ihn gewähren, alleine um die Stimmung im Team nach den frustrierenden Wochen wieder ein wenig zu heben. Nach den „Wandertagen“ kehrten die Beteiligten vollkommen begeistert zurück. Mein Kollege meinte, er würde die Wanderung bei passender Gelegenheit gerne wiederholen und dann soll ich mitkommen, um mir selbst ein Bild zu machen. Das tat ich dann auch und war nun selbst begeistert. Was war geschehen:
Während der Wanderung haben sich laufend unterschiedliche Gruppen gebildet. Die haben sich über das anstehende Thema unterhalten, aber auch über ganz andere Themen. In den Pausen haben die Gruppen dann in der großen Gruppe erzählt, worüber sie sich unterhalten haben. Am Abend hat mein Kollege die Meldungen des Tages zusammengefasst und beim Abendessen wurde dann über das Thema, aber auch über anderes weitergesprochen. Die Gruppen, die miteinander geplaudert haben, haben sich immer verändert. Dadurch sind immer wieder andere Aspekte besprochen worden und dabei sind regelmäßig neue Ansätze und Ideen aufgetaucht, die dann weiterbesprochen wurden. Die Abende waren überhaupt nicht „feucht“, weil alle Wanderer einfach müde waren und ins Bett wollten. Und siehe da – bei fast allen Themen gab es dann Durchbrüche. Und das eigentlich ganz leicht – abgesehen vom Muskelkater halt.
Fazit
Komplexe Themen lassen sich nicht in einer Sitzung, einem Tag oder in einer Klausur lösen. Es braucht Zeit, manchmal Geduld, mehrere Anläufe, unterschiedliche Perspektiven und Herangehensweisen und vor allem Konsequenz und Ausdauer.
Eine Frage der Robustheit
In welchem Bereich gibt es bei Ihnen eine harte Nuss, die Sie bisher noch nicht gelöst haben? Wie könnten Sie dieses Thema noch einmal angehen? Und zwar angehen, ohne den Anspruch, dass die Nuss sofort geknackt werden muss! Wer könnte da neue Ansichten oder Perspektiven liefern, die vielleicht neue Aspekte in Ihr Denken bringen?