Geschäftspartner und Mitarbeiter auswählen

Lüge von Wahrheit unterscheiden oder Übertreibung von seriöser Selbstdarstellung unterscheiden - beides fällt immer schwerer. Beides hat aber massive Konsequenzen für Auswahl und Entscheidung, mit welchen Menschen wir in unseren geschäftlichen Beziehungen zusammenarbeiten wollen.

Grundsätzlich gibt es im Leben zwei Situationen, in denen praktisch immer geflunkert und oft auch gelogen wird: Das sind das Bewerbungsgespräch und der Flirt an der Bar. Diese - mit einem Augenzwinkern - geschilderten Situationen haben aber einen wahren und ernsten Kern. Sie haben nämlich etwas mit Grundbedürfnissen zu tun, die in jedem von uns angelegt sind. Neben dem Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit, nach Wachstum und Entwicklung, nach Orientierung und Kontrolle spielen nämlich der Schutz und die Erhöhung unseres Selbstwertes eine zentrale Bedeutung. Das ist ein Bedürfnis, das in uns angelegt ist. Selbst buddhistische Mönche und hinduistische Yogis verbringen ihr gesamtes Leben damit, zu trainieren, ohne Bedürfnisse zu leben.

Das Bedürfnis nach Schutz und Erhöhung unseres Selbstwertes gehört also zu den zentralen, tief angelegten Bedürfnissen von uns Menschen. Jetzt leben wir aber in einer Zeit, die immer „lauter“ wird, in der Selbstdarsteller immer wichtigere Rollen einnehmen und wir nicht mehr sicher sein können, was real und was retuschiert oder „gephotoshopt“ – wie es der neumoderne „denglische“ Begriff beschreibt - ist. Wenn wir uns, unsere Dienstleistung oder unsere Arbeitsleistung verkaufen sollen, dann steigt der Druck. Wie sollen wir uns unterscheidbar und sichtbar machen?

Suchen wir nach Menschen, mit denen wir uns beruflich verbinden wollen, sei es in Form von Geschäftspartnern, mit denen wir gemeinsam Geschäfte abwickeln wollen, wichtigen Lieferanten oder Kunden oder als Mitarbeiter, die für uns arbeiten sollen, dann haben wir ein Problem, wenn wir wahr von falsch unterscheiden sollen.

Grundsätzlich ist es natürlich so, dass unsere Gesprächspartner dem Grundbedürfnis nach Schutz des Selbstwertes und nach Erhöhung des Selbstwertes folgen. Das ist also durchaus legitim. Die Frage ist also: Wo ist die Grenze zwischen legitimem Flunkern und Lüge und was können wir tun, diesem feinen Unterschied auf die Spur zu kommen?

Niemand von uns trägt einen Lügendetektor mit sich herum. Aber wir haben unseren Verstand, unsere Beobachtungsgabe und unsere Erfahrung immer dabei. Und die können wir gut einsetzen. Wollen wir also herausfinden, ob jemand zu uns passt und ob uns jemand die Wahrheit erzählt, gibt es ein paar Prinzipien, denen wir folgen können. Siehe auch den folgenden Artikel:

1. Prinzip

 

Gehen Sie, durchaus wohlwollend, mit einer aufmerksamen Haltung in ein Gespräch und mit dem Bewusstsein, dass Ihr Gegenüber das Bedürfnis hat, sich möglichst positiv darzustellen.

Wichtig ist, dass Ihr Gesprächspartner möglichst viel erzählt. Sie stellen also offene Fragen. Dabei suchen Sie nach Hinweisen, die dem widersprechen, was Ihnen erzählt wird.

Wertvolle Hinweise dazu geben uns die Untersuchungen, die die US-Geheimdienste bei Neurowissenschaftlern in Auftrag gegeben haben. Die haben nämlich herausgefunden, dass Menschen, die etwas zu verbergen haben, die etwas nicht gut kennen oder bewusst lügen, kein Interesse haben, über Details zu sprechen.

Ein verlässlicher Hinweis, ob etwas nicht stimmt, ist also, wenn unser Gegenüber keine Details erzählen will oder erzählen kann.

 

2. Prinzip

 

Daraus folgt dann auch schon das zweite Prinzip in einem wichtigen Gespräch: Sie geben sich nicht mit allgemeinen Aussagen zufrieden:

  • Die Kunden waren immer zufrieden.
  • Ich habe viel Führungserfahrung. 

Wenn Sie mit solchen Aussagen konfrontiert werden, dann beginnen Sie nachzuhaken. Am besten gelingt das, wenn Sie sich Anekdoten erzählen lassen:

  • Womit waren Ihre Kunden besonders zufrieden? Was haben Sie genau getan, damit Ihre Kunden zufrieden waren? Wodurch haben Sie sich damit von Ihren Mitbewerbern unterschieden?
  • Wie lange waren Sie in Führungspositionen? Wie viele Mitarbeiter haben Sie geführt? Wie haben Sie die Arbeit unter Ihren Mitarbeitern verteilt? Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter beurteilt? Wie haben Sie Ihren Mitarbeitern Feedback gegeben? Welche IT-Tools, welche Methoden haben Sie eingesetzt?

 

Wenn Sie so fragen, dann werden Sie sehr schnell erkennen, ob die Kandidat:innen wissen, worüber Sie sprechen. Haben sie das selbst erlebt oder getan oder kennen sie es nur aus zweiter Hand?

Hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch immer Unterschiedsfragen. Zum Beispiel: „Was hat Ihnen bei dieser oder jener Tätigkeit am besten und was hat Ihnen am wenigsten gefallen?“ Bei solchen Fragen werden Sie sehr schnell zwei Dinge bemerken:

  • Haben die Kandidat:innen überhaupt etwas zu erzählen?
  • Was ist ihnen wichtig? Worauf achten sie besonders? Sind es zum Beispiel die Menschen, mit denen sie arbeiten, oder sind ihnen die Menschen egal und es ist die Aufgabe, die wichtig ist?

 

Die Königsfrage, die Sie zum Beispiel Bewerbern, aber nicht nur Bewerbern, stellen können, ist folgende:

 

„Was war Ihr größtes Problem, das Sie gelöst haben, und wie haben Sie es gelöst?“

 

Ich kenne niemanden, der noch nie vor der Situation stand, ein Problem lösen zu müssen. Wer also meint, dass es noch nie ein Problem gab, dem ist schon einmal nicht zu trauen. Aber Vorsicht: Ich führte einmal ein Gespräch mit einem Mann, der auch meinte, dass es im Beruf keine Probleme gab. Im Laufe des Gespräches stellte sich heraus, dass er und seine Frau ein behindertes Kind haben. Der Umgang damit stellte ihn und seine Familie vor derart große Herausforderungen, dass ihm die beruflichen „Probleme“ im Vergleich dazu klein vorkamen. Aber von solchen speziellen Situationen abgesehen gibt es praktisch niemanden, der nicht vor größeren Herausforderungen gestanden ist. Darüber hinaus sind Menschen, die Probleme gelöst haben, stolz darauf. Und wenn jemand stolz ist, dann erzählt diese Person üblicherweise auch gerne und hat auch etwas zu erzählen. Sie kann sich nämlich an alles und jedes Detail erinnern.

 

Darum ist die Frage nach dem größten gelösten Problem die Königsfrage. Die Königinnenfrage ist dann die Frage nach den nicht gelösten Problemen oder gescheiterten Projekten.

 

 

Gutes Gelingen bei der Umsetzung!


Eine Frage der Robustheit

 

 

Welche Situationen fallen Ihnen ein, bei denen Sie jetzt im Nachhinein feststellen, dass Ihnen diese Art der Fragestellung bessere Erkenntnisse gebracht hätte? Wann haben Sie demnächst die Gelegenheit, eine solche Fragestellung auszuprobieren und zu testen?