Was Grübeln mit uns Menschen macht

„Der Reichtum an Information kreiert eine Armut an Aufmerksamkeit.“

Dieses Zitat stammt von Herbert Simon, einem amerikanischen Sozialwissenschaftler, man höre und staune: aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Kämpfen Sie mit einer zunehmenden Reizüberflutung? Haben Sie auch schon einmal überlegt für ein paar Tage in ein Kloster zu gehen, um abgeschieden von der gewohnten Umwelt über sich, Ihr Leben oder Ihre Firma nachdenken zu können? Haben Sie auch schon einmal überlegt, „Digital Detox“ zu betreiben?

Dann sind Sie nicht alleine und wie das Eingangszitat zeigt, auch nicht die erste Person, die das zu schaffen macht.

Fest steht: Es fällt uns immer schwerer, uns auf eine Sache zu konzentrieren, Fokus zu finden und Prioritäten zu setzen. Zeitmanagement-Seminare, Selbstmanagement-Seminare, Bücher zum Thema Selbstoptimierung etc. boomen. Dort werden uns Techniken vermittelt, wie wir uns besser konzentrieren können, wie wir leistungsfähiger oder produktiver werden.

Dabei ist unser Leistungsvermögen weniger eine Sache der Technik. Denken Sie nur, wie es Ihnen gegangen ist, wenn Sie nach einem Training oder einem Seminar nach Hause gekommen sind und der Alltag in seiner vollen Härte wieder zugeschlagen hat. Wie viel des Gelernten und Gehörten haben Sie dann tatsächlich dauerhaft umgesetzt? Ich vermute mal, nicht allzu viel. Und das ist leider der Normalfall.

Je mehr wir aber die Funktionsweise von uns Menschen und insbesondere auch die Funktionsweise unseres Gehirns verstehen, umso besser wird es uns gelingen, Ansatzpunkte zu finden, wie wir unsere Leistungsfähigkeit und unsere Produktivität auf „natürliche“ Weise und auch nachhaltig verbessern können.

Immer wieder höre ich von Unternehmer:innen: „Ich grüble schon seit Tagen über dieses Problem nach. Ich komme aber nicht weiter, mir fällt einfach keine Lösung ein.“

Da es mir selbst auch oft so gegangen ist, habe ich mich deshalb intensiver mit der Frage beschäftigt, warum das so ist. Und das habe ich im Laufe der Zeit unter anderem herausgefunden:

In dem Moment, in dem wir den Fokus auf eine Sache verlieren, fängt unser Geist an, herumzuwandern, Tag zu träumen oder in Gedanken zu versinken. Kennen Sie das?

Manchmal brauchen wir das auch und wir können diese Eigenschaft auch gezielt einsetzen, vor allem dann, wenn kreative Lösungen gefragt sind (mehr dazu in einem späteren Artikel).
Der herumschweifende Geist ist aber ein zweischneidiges Schwert. Lässt man ihm nämlich zu viel Raum, dann beginnen sich die Gedanken relativ schnell um Sie selbst zu drehen. Unser Gehirn fängt dann an, Fragmente von Erlebtem, von Emotionen, von alten Gedanken etc. - meist zufällig - zusammenzusetzen. Unser Gehirn baut eine Geschichte über uns selbst. Und diese Geschichte hat mit der Realität in aller Regel nichts zu tun. Wenn uns das auffällt, dann haben wir einen wunderbaren Begriff dafür: Kopfkino.

Halten wir uns aberzu lange in so einem Zustand auf, verschlechtert sich unsere Stimmung unweigerlich. Zahlreiche Untersuchungen sind diesem Phänomen schon nachgegangen. Diese Studien haben nicht nur herausgefunden, dass sich unsere Stimmung in diesem Zustand des Grübelns verschlechtert. In einigen Experimenten wurde auch nachgewiesen, wie sich starke Stimmungen wie Euphorie auf der einen Seite und schlechte Stimmung auf der anderen Seite auf die Qualität von Entscheidungen auswirken: negativ! Entscheidungspsychologen raten daher, dass Sie keine – zumindest keine wichtigen Entscheidungen – treffen sollten, wenn Sie entweder euphorisch oder in schlechter Stimmung sind.

Wenn wir es aber schaffen, unsere Aufmerksamkeit wieder auf eine Sache zu lenken, dann können wir nicht über uns selbst nachgrübeln. Das ist auch einer der Gründe, warum uns Meditationslehrer:innen folgenden Ratschlag geben: „Wenn du bemerkst, dass deine Gedanken zu schweifen beginnen, dann lenke deine Aufmerksamkeit wieder auf deinen Atem oder deine Nase oder die Geräusche im Außen oder … “

Je weniger wir grübeln, umso besser können wir wahrnehmen, was um uns herum geschieht. Grübeln fährt unser sensorisches System herunter, wir nehmen weniger wahr und wir machen mehr Fehler. Haben Sie diese Erfahrung selbst auch schon gemacht?

Die Frage ist nun, wie wir unserem Gehirn, diesem Energie fressenden Monster, die Pausen gönnen können, die es nach einer anstrengenden, konzentrierten und fokussierten Arbeit braucht. In der positiven Psychologie gibt es die sogenannte „attention restoration theory“. Die besagt, dass sich unser Gehirn am besten erholt, wenn es einer Aktivität in der Natur nachgeht, die unsere volle Aufmerksamkeit erfordert (Bergsteigen, Surfen, Radfahren … ). Das ist der Zustand und die Umgebung, in der sich unser Gehirn am besten erholt. Computerspiele, Surfen im Netz etc. machen genau das Gegenteil.


Eine Frage der Robustheit

Auf einer Skala von 0 bis 10 schätze ich meine Fähigkeit, mich zu fokussieren und nicht zu viel zu grübeln, so ein:

0 … Meine Gedanken schweifen permanent ab. Über schwierige Themen „grüble“ ich gefühlt ewig, ohne zu einer Lösung zu kommen. Meine Stimmung leidet darunter.

5 … Gelegentlich habe ich richtig gute Ideen, wenn ich vor mich hin sinniere. Wird meine Stimmung dabei schlechter, dann fällt mir das auf und ich kann etwas dagegen unternehmen.

 

10 … Ich komme nur selten ins Grübeln. Es gelingt mir häufig, eine gute Balance aus konzentriertem Arbeiten und Entspannung zu finden. Ich übe mich regelmäßig in Methoden, die mir eine gezielte Hygiene meines Geistes ermöglichen (z. B. Yoga, Meditation, Qi Gong, Schweige-Retreats, Sport, regelmäßige Aktivitäten in der Natur, ein Hobby, bei dem ich mich fokussieren muss … ).