Über den Zufall und den Irrtum

Immer wenn ich in meinem Unternehmen die Budgetierung für das nächste Jahr begonnen habe, hat mich mein Vertriebschef ausgelacht. Dann hat er zu mir gesagt: „Ja, ja, jetzt ersetzen wir wieder den Zufall durch den Irrtum. Das ist mir damals immer ordentlich auf die Nerven gegangen. Wie richtig und wertvoll diese Aussage war, ist mir erst viel später klar geworden.

 

Wir leben ja so in der Illusion, dass wir die Zukunft planen können. Diese Illusion hat der ehemalige Boxweltmeister Mike Tyson so kommentiert: „Everyone has a plan until they get punched in the mouth.“ Ganz ähnlich klingt eine alte militärische Weisheit, die besagt, dass kein Plan die erste Feindberührung überlebt.

 

Überlegen Sie sich einmal, wie erfolgreich Sie bei der Planung Ihrer Zukunft sind, wie viele Ihrer Pläne gehalten haben, ohne dass Sie Anpassungen vornehmen mussten. Und dann denken Sie an die wirklich großen Ereignisse in Ihrem Leben!

 

Waren die wirklich geplant?

 

Oft, sehr oft, eigentlich fast immer waren die wichtigen Ereignisse in unserem Leben eben nicht geplant. Väterchen Zufall hat da meistens seine Hände im Spiel gehabt.

 

Wir sind viel mehr von Zufällen abhängig, als wir glauben und als wir es wahrhaben wollen.

 

Wie sehr wir von zufälligen Ereignissen abhängig sind, ist schon sehr gut untersucht. Nur wahrhaben wollen es die meisten nicht, in einer Welt, in der wir alles im Griff haben und kontrollieren wollen.

 

Wenn Sie zum Beispiel planen, im Lokal um die Ecke zu Abend zu essen, dann hat dieser Plan eine gute Chance auf Umsetzung. Je komplexer oder unübersichtlicher die Situation oder das Vorhaben ist, umso geringer wird die Chance, den Plan, wie vorgehabt, umzusetzen.

 

Eine meiner Lieblingsgeschichten zu diesem Thema ist die folgende:

 

Wahrscheinlich haben Sie ein wenig Geld auf der Seite, das Sie in irgendeiner Form veranlagen. Üblicherweise geht man damit zur Hausbank oder zur Anlageberater:in. Diese empfehlen dann irgendwelche Fonds, die von irgendwelchen Experten, den Portfoliomanagern oder Fondsmanagern zusammengestellt und verwaltet werden. Jedes Jahr werden die erfolgreichsten unter ihnen von verschiedenen Fachmagazinen gekürt.

 

Einem schlauen Journalisten ist einmal aufgefallen, dass ausgezeichnete Fondsmanager fast nie zwei oder gar mehrmals hintereinander geehrt wurden. Praktisch keinem von ihnen ist es gelungen, den Erfolg über mehrere Perioden zu wiederholen. Dann hat man in New York ein Experiment gemacht:

 

Es wurden zahlreiche „erfolgreiche“ Fondsmanager eingeladen, eine größere Summe (fiktiven) Geldes in einem von ihnen zusammengestellten Portfolio anzulegen. Dieses Portfolio ist über ein Jahr beobachtet worden und die Ergebnisse wurden am Ende des Jahres miteinander verglichen.

 

Was die Teilnehmer an diesem Experiment nicht wussten:

 

Es gab eine Kontrollgruppe, deren Ergebnisse mit den Ergebnissen der „Experten“ verglichen wurden. Diese Kontrollgruppe waren Affen. Ja, Affen aus dem Zoo. Denen hat man Dartpfeile in die Hand gedrückt und die sollten sie auf Bilder werfen, auf denen die Wertpapiere abgebildet waren. So haben die Affen ihr Portfolio zusammengestellt.

 

Sie ahnen schon, wie die Geschichte endet:

 

Die Sieger waren: die Affen!!

 

Das Experiment wurde mehrmals wiederholt. Im Schnitt haben immer die Affen gewonnen.

 

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum es immer noch bezahlte Portfoliomanager gibt?  Das ist eine gute Frage!

 

Warum sollen wir dann aber überhaupt planen, wenn unsere Pläne ohnehin nicht halten?

 

Die Frage ist nun, ob wir uns von Zufällen abhängig machen wollen, oder ob wir aus den gemachten Erfahrungen lernen wollen. Aus Zufällen können wir nichts lernen. Wenn Sie lernen und Erfahrungen sammeln wollen, dann hilft es Ihnen, wenn Sie den Zufall durch den Irrtum ersetzen.

 

Damit ich mich irren kann, muss ich mir aber, bevor ich etwas unternehme, etwas überlegen und die eine oder andere Frage stellen:

  • Welche Informationen habe ich zur Verfügung und was sollte ich noch wissen?
  • Was will ich erreichen? Wen brauche ich?
  • Wer hat etwas davon?
  • Usw. usw.

 

Dann habe ich so etwas wie eine Hypothese, was bei meiner Handlung herauskommen soll und wie es funktionieren soll. Das Ergebnis kann ich mit dem vergleichen, was ich mir ursprünglich vorgenommen habe. So beginnt Lernen konkret zu werden. Nicht der Plan ist das wichtige Ergebnis, es ist der Prozess des Planens, der uns weiterbringt.


Eine Frage der Robustheit:

 

Wie viel Zeit verwenden Sie, um:

  • Ihre Handlungen und Maßnahmen zu reflektieren,
  • „Manöverkritik“ nach Umsetzung Ihrer Pläne zu üben und
  • Anpassungen vorzunehmen?